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"Alle Jahre wieder Advent"

alle jahre wieder advent - online gottesdienst judenburg

Predigt von Wolfgang Pausch

Advent, eine eigenartige Zeit. - So wie Weihnachten ein eigenartiges Fest ist. - Viele Menschen feiern Weihnachten. Nicht nur Christen, - nein auch Atheisten, Agnostiker, Menschen mit Hang zur Esoterik. Warum auch nicht? Weihnachten bringt Menschen zusammen. Wie lieben dieses Fest – fast alle aber fürchten und hassen zugleich die Zeit davor.
Advent, die Zeit der Menschenmassen in den Straßen, Advent, die Zeit des Kaufrausches, Advent, die Zeit der Lichterketten, der Dauerbeschallung in den Kaufhäusern und des Kampfes um den perfektesten Christbaum.
In vier Wochen ist es soweit. Weihnachten steht vor der Tür. Bis dahin kommt aber noch einiges auf uns zu. Betriebsweihnachtsfeiern, die letzten (oder ersten) Einkäufe, Parkplatzsuche, Verkehrsstau, Stress, aggressive Autofahrer und Parkplatzsuchende, Hilflosigkeit, Verzweiflung.
Durchhalten! Augen zu und durch. Bald ist alles vorbei. Nur noch vier Wochen!

Alle Jahre wieder – muss das sein?
Weihnachten, das Fest der Stille – jedes Jahr träumen Menschen von Besinnlichkeit und Ruhe, jedes Jahr wird es noch ein bisschen schlimmer. Warum schaffen wir es nicht, diese Stille in uns einkehren zu lassen? Wenn ich mit Menschen rede, hab ich oft das Gefühl, dass jeder und jede sich nach Ruhe sehnt, nach besinnlicher Zeit, nach einem Spaziergang im verschneiten Wald – gut - verschneiten Wald gibt’s erst im Frühjahr, aber mit ein bisschen Fantasie … sie wissen, worauf ich hinaus will.
Ich habe das dumpfe Gefühl, dass wir es einfach nicht schaffen. Nicht, dass wir nicht wollen – nein, das trifft auf wenige zu – wir schaffen es einfach nicht. Wir schaffen nicht einmal ein Monat lang leiser zu treten, aus diesem Konsum-Wahnsinn auszusteigen. Den Blick auf das Wesentliche zu richten.

Die Geschichte, die uns die Moderatorin  heute vorgelesen hat, hat mich sehr betroffen gemacht. Auch der unselige Gefangene war verzweifelt auf der Suche nach ein bisschen Licht, nach Sonnenschein, nach Wärme. Er hat einen Weg gefunden, der für ihn zufriedenstellen war. Und doch, hätte er die ganze Fülle des Lebens haben können, hätte er es geschafft einmal um die Ecke zu denken, außerhalb der ausgetretenen Wege - eine Tragödie
Paul Wazlawik, ein berühmter österreichischer Psychotherapeut, nannte das: Immer mehr desselben. In einem seiner Bücher erzählt er folgende Geschichte: „Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.“ Wir haben eine Lösung – irgendeine – sie funktioniert nicht. Also versuchen wir es noch einmal. Mit mehr Einsatz, mit mehr Energie. Funktioniert noch immer nicht. Das gibt es doch nicht, das muss doch gehen! Dann versuch ich es einfach noch einmal, noch verbissener, oder gebe auf … hat ja keinen Sinn, ich hab wieder einmal versagt.
Statt nach einer anderen Lösung, die oft sehr einfach ist, zu suchen, versuchen wir immer und immer wieder die gleichen Strategien. Und wundern uns, wenn wir scheitern. Wie also aus dem Trott aussteigen?

Damals hatte „Weihnachten“ nichts vom Lärm von heute
Die biblische Botschaft von der Geburt Christi hat mit dem Konsumrausch von heute absolut nichts mehr zu tun. Da geht es um Hoffnung und Freude. Wir haben in der heutigen Schriftlesung von dieser Freude gehört. Die Menschen damals waren einfach. Sie saßen an Lagerfeuern zusammen, erzählten sich Geschichten. Ohne Facebook, ohne Twitter – das gab’s damals noch gar nicht – eigentlich kaum unvorstellbar, oder? Viele Menschen damals waren arm. Hunger und Unterdrückung durch eine fremde Macht machte ihnen zu schaffen. So hofften sie auf den Erlöser. Den Mann, der sie aus dieser Misere befreien kann. Angekündigt war dieser Erlöser schon lange, das wissen wir aus den Geschichten im Alten Testament, dass er aber als Kind auf die Welt kommen würde, hat sich damals wohl kaum jemand vorstellen können. Doch die Freude war groß, zumindest bei den einfachen Menschen, die nicht um ihre Macht fürchten mussten.
Was für eine Freude. Der Messias war geboren. Jesus, der selbst in die Welt kommt, weil ihm die Menschen ein Anliegen sind. Gott wird zum Menschen, schwach, verletzlich und angewiesen an die Personen um ihn. Dieser Jesus hat die Welt verändert – gut, darüber zu diskutieren, was der Mensch daraus gemacht hat, würde hier zu weit führen. Aber er hat Hoffnung gebracht in diese Welt und das Bewusstsein, das sich Gott, unser Vater, um uns kümmert, dass wir ihm nicht egal sind.
Advent ist die Zeit der Vorfreude auf dieses Ereignis, Advent ist die Zeit der Besinnung. Das passt so absolut nicht zu dieser Hetze der wir uns aussetzen. Advent lädt ein, aus dieser Spirale auszusteigen. Warum immerzu mit dem Strom schwimmen? Was bringt uns das? Treten wir heraus aus diesem Smog, das ist seelisch und körperlich sehr heilsam.

Doch wie können wir es nun schaffen, die Zeit vor Weihnachten zu nutzen. Ruhe zu finden, uns mit Dingen beschäftigen, die uns gut tun, Ruhe geben und uns zentrieren, mit Dingen, die wirklich wichtig sind?
Ein wichtiger Faktor ist auf jeden Fall Zeit! Die müssen wir uns nehmen. Statt von einer Weihnachtsfeier zur anderen zu hetzen, von einem Glühweinstand zum nächsten zu wackeln, einfach einmal ein Buch lesen. Märchen, Geschichten, Gedichte – oder auch mal in der Bibel blättern.
Und dann gehört noch eine große Portion Selbstachtung dazu. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“, hat uns Jesus mitgegeben. Was soviel heißt: Solange du nicht auf dich schaust, deine Bedürfnisse erkennst und beachtest, kannst du dich nur auf Kosten deiner Selbst um deinen Nächsten kümmern. Was hilft mir eine Mutter, die sich für mich aufopfert, wenn mein Schuldgefühl immer größer wird, weil ich sehe, dass sie dabei zugrunde geht?
Versuchen wir dem Kaufrausch zu entfliehen – müssen wir jedes Jahr Geschenke kaufen, das die Decke fast durch¬bricht? Ist es nicht viel wertvoller, den Abend gemeinsam zu verbringen, zu reden, zu singen, sich auf Weihnachten zu besinnen? Eine Bekannte von mir kauft schon während des Jahres die Geschenke. Immer wenn ein Kind etwas Außergewöhnliches braucht, ein Laptop, den coolen Anorak, was immer, sagt sie dazu: „Das ist schon für Weihnachten!“ Bevor sie das gekaufte an die Kinder weitergibt macht sie noch ein Foto. Und diese Fotos, gesammelt übers ganze Jahr, legt sie am
24. Dezember unter den Christbaum. Das macht keinen Stress, die Kinder bekommen ihre Sachen, wenn sie sie brauchen und alle sind glücklich. Gut, die Kinder sind allesamt aus dem Volksschulalter raus, ich finde aber, dass es eine gute Idee ist. Vor allem, etwas Neues, nicht wieder mehr vom Selben, mehr von dem, dass uns ja schon in der Vergangenheit nur in die Zwickmühle getrieben hat.

Ich möchte mit einen Zitat von Seneca schließen, einem Philosophen, der um die Zeit Jesu in Rom gelebt hat:
Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben,
sondern zu viel Zeit, die wir nicht nutzen!

Besinnen wir uns im Advent auf die wirklich wichtigen Dinge unseres Lebens. Wenden wir den Blick auf die Botschaft der Menschwerdung Christi und darauf, welche Rolle diese in unserem Leben spielt. Wenigstens diese vier Wochen vor Weihnachten.

 

 

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