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"Freude - Die Kraftquelle für die Zukunft"

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Predigt von Tadeusz Prokop

Dauerfreude – seltsames Angebot

Der Aufruf zur Dauerfreude ist eigentlich eine seltsame Aufforderung (Philipper 4,4,: "Freut euch allezeit"). Kommt Ihnen das nicht so vor? Sich allezeit zu freuen? Geht das überhaupt? Und wie würden andere auf ein solches Stimmungshoch reagieren? Eine Schülerin machte mir vor kurzem ein dickes  Kompliment.  Sie sagte: "Herr Professor, ist Ihnen aufgefallen, dass Sie  ein echter Spaßvogel sind? Sie hat aber mit der darauffolgenden Einschätzung meiner Person das gute Kapital schnell verspielt: Entschuldigen Sie – fuhr sie fort -  manchmal habe ich aber den Eindruck, als wären Sie in  einer permanenten Rauschstimmung".  Ich bin echt froh, dass ich in diesem Zustand von keinem Psychologen erwischt wurde. Der hätte bestimmt  von diesem "Spaßvogel" den "Spaß" gestrichen, mir einen Vogel gezeigt und abschließend  eine besondere Kur verordnet.  
„Sich allezeit zu freuen?“  Mal angenommen, das wäre geistlich unbedenklich. Müsste man sich dann aber nicht den Vorwurf gefallen lassen in einer  rosaroten Parallelwelt zu leben? Ahnungslos von einer Wirklichkeit, die traurig genug ist  und wenig Grund  zur Freude hat!   

Wenig  Grund zur Freude
Haben Sie gewusst, dass am 31. Oktober die Weltbevölkerung die Sieben-Milliarden-Marke überschritten hat? Die rein symbolische Begrüßung fand auf den Philippinen statt. Zwei Minuten vor Mitternacht  in einem Krankenhaus in Manila erblickte die kleine Danica May Camacho das Licht der Welt. Die Uno-Vertreter waren anwesend und brachten sogar einen Kuchen mit. Auch der sechsmilliardste Mensch, die heute zwölfjährige Lorrize Mae Guevarra, war dabei.  Das mediale Topereignis warf allerdings einige Fragen auf, allen voran die, ob der neue Erdenbürger einen echten Grund zur Freude hat. Dabei blickte man bedenklich und besorgt in die Zukunft und fragte sich, welche Lebensqualität ihn erwarteten würde  – in einer Welt, die mit wachsenden globalen Probleme konfrontiert wird und in der  Endzeit-Szenarien die Stimmung trüben.   
Sie werden mir weitgehend zustimmen können, wenn ich sage, dass wir nicht nur in einer armseligen Welt  leben, sondern dass auch unser Leben armselig genug ist. Gar keine Frage, dass wir hin und wieder echte Freude erleben. Sie ist wie ein Streichholz, das ein Feuer entzündet (exemplarisch darstellen!):  Es brennt nur kurz, weil unser Leben aus vielen Augenblicken besteht, die uns das Feuer der Freude erlöschen: Leid und Krankheit, Liebeskummer und materielle Engpässe, Enttäuschungen über unsere Freunde und Partner, Einsamkeit und Ausschluss aus der Gemeinschaft, Verrat der Jugendideale und Schwierigkeiten im Beruf, die fehlende Anerkennung und Alltagsstress, leibliche und geistliche Unzulänglichkeiten, das Gewissen, das unterdrückt und stumpf geworden ist, Hoffnungslosigkeit, Schwierigkeiten mit den Mitmenschen, Ziele, die sich als trügerisch erwiesen haben.  
Ja, auch viele anständige Christen haben nicht viel Grund zur andauernden Freude.

Ungetrübte Freude wenn unsere Sichtweise geändert wird
Vor kurzem bin ich im Internet  auf einen Ratgeber gestoßen. Der Titel lautete: "Der Lebensfreude-Kurs". Einige Tipps wurden angeboten, was man tun sollte um aus einem Stimmungstief rauszukommen und um mehr Freude am Leben zu haben. Zum Abschluss gab es eine Art  Lebensweisheit: "Die wichtigste Voraussetzung für die Freude ist, die Sicht breit zu machen".  Ich bin zuerst über diese seltsame Formulierung gestolpert. Die Sicht breit zu machen? Ja, genau, darum geht es ja bei dieser Aufforderung, sich allezeit zu freuen - um die breite Sicht sozusagen. Wie breit sieht das menschliche Auge? Fotografen würden sagen: 46˚- was in etwa dem 50mm-Standardobjektiv entspricht. Ich habe mir vor kurzem ein Objektiv für den Superweitwinkelbereich zugelegt und staune über die  extreme Breite der Sicht!
Dauerfreude hat mit Kurzsichtigkeit nichts zu tun, wenn etwa einer den Blick auf die Traurigkeiten des Lebens wirft. Diese Freude wird einem geschenkt, wenn er „breit sieht“ und merkt, dass Gott immer auf seiner Seite ist und dass er von der Wirklichkeit Gottes umgeben ist. Diese Freude ist ganz anders als das Entzünden eines Streichholzes - als Gefühle, die sich schnell verflüchtigen. Sie ist von äußeren Umständen unabhängig. Sie geht viel Tiefer als das, was wir als friedvolles Leben oder sich freuen bezeichnen würden.

Ein beliebter Wappenspruch der Fürsten und Herzoge lautete: "Si deus pro nobis, quis contra nos?" - "Wenn Gott für uns ist, wer kann dann gegen uns sein (Röm 8,31 ff)? Könnte das nicht ein Programm für uns sein?
Können Sie sich an Ihre ersten Fahrversuche mit dem Fahrrad noch erinnern? Die Erwachsenen haben uns eine Hilfestellung angeboten damit wir die Entdeckung dieser  neuen Welt  möglichst gut bewältigen. Dabei war es ganz wichtig, den Blick möglichst weit zu richten, vielleicht an eine Kurve am Ende des Weges oder an den weit entfernten Horizont wo die Bäume durch den Wind hin und her geweht wurden. Gar keine Frage, dass wir Angst hatten, unsicher waren und  immer wieder auf die Nase gefallen sind. Doch bald haben wir wieder den Wind in unseren Ohren gespürt.
Christliche Dauerfreude kommt, wenn wir auf den Horizont unseres Lebens blicken und dabei Gott erblicken, der uns Angst vor dem Leben nehmen möchte, ja uns mit tiefer Freude erfüllen will.
Zum Andenken an meine Priesterweihe habe  ich mir ein Wort des Paulus aus dem Römerbrief ausgesucht. Es wurde bei meiner Primiz an die Gläubigen ausgeteilt. Ich bin froh, dass es noch immer hält - trotzt vieler widriger Umstände, die mir das Leben bereitet hat:  "Weder Tod noch Leben,  weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes noch Tiefes oder sonst irgendetwas können uns von der Liebe Gottes trennen, die er uns in Jesus Christus, unserem Herrn, schenkt"…und – so würde ich nun ergänzen - uns die Freude trüben, mit der Gott uns beschenken möchte.

Sich mit neuer Sicht beschenken lassen

In der Bibel wird eine Geschichte erzählt, in der jemand plötzlich einen Blick für die Wirklichkeit Gottes bekommt. Der Prophet Elisa steht auf der Todesliste der Aramäer, weil er durch Gottes Offenbarung ihre Pläne durchblickt  Sein Haus wird von den Soldaten eingekreist.  Elias Diener fürchtet nun um sein Leben und gerät in Panik, aber Elisa bleibt völlig gelassen. Im zweiten Königbuch Kapitel 6 lesen wir:  "Da sagt  Elisa zu seinem Diener: Fürchte dich nicht! Und Elisa betete und sprach: Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe".
Genau das brauchen wir: "Herr, öffne uns die Augen auf deine Wirklichkeit. Wir sind manchmal so blind, und sehen nicht, dass deine Herrlichkeit um uns herum ist. Lass uns das zu Weihnachten erleben, dass du mit uns bist und begleite uns auf dem Weg in die Zukunft". Ja, dieses „freut euch allezeit...“ ist eines   der überraschendsten christlichen Angebote, eines, das eine  Kraftquelle für unser Leben und für die Zukunft sein möchte. Deshalb sage ich euch noch einmal: Freut euch!

 

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