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"Die Kunst des Sterbens"

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Predigt von Tadeusz Prokop

An den Tod gedacht
In diesem Jahr habe ich mehr als sonst an den Tod gedacht. Zuerst habe ich  über Facebook erfahren, dass unsere Freundin Lungenkrebs hat. Sie ist Mitte 50. Das hat uns ihre Tochter mitgeteilt. Sie macht sich furchtbare Sorgen um ihre Mutter. In dieser Woche wird sich zeigen, wie die Überlebenschancen sind. Eine andere Freundin, die 52 ist, erkrankte  plötzlich an Parkinson. Die Krankheit schreitet schnell voran. Nach einem Jahr schon hatte sie erhebliche Probleme beim Gehen. Und vor einigen Tagen hatte der Lieblingsonkel meiner Frau, der knapp über 70 ist, einen schweren Schlaganfall. Er kämpft ums Überleben.  

Wir sind sterblich
Gotfried Benn, ein deutscher Arzt und Dichter, der einer Pastorenfamilie entstammte, schrieb in seinem letzten Gedicht, bevor er 1956 starb, dass wir Menschen das "Gen des Todes"  in uns tragen. Umgehen lässt sich diese Tatsache nicht. Manchmal scherze ich, wenn andere überzogen über die Zukunftspläne sprechen,  ob sie vor haben, noch 100 Jahre zu leben  um all das zu erreichen und umzusetzen. Sie scheinen vergessen zu haben, dass unser Leben begrenzt ist!  
Wir alle werden sterben, ja in 100 Jahren ist niemand von uns mehr da - mit kleinen Ausnahmen vielleicht!  Die unheilbar Kranken werden wahrscheinlich bald sterben. Aber auch alle Menschen die jetzt gesund, jung und schön sind, werden sterben. Ärzte, Pfarrer,  Politiker, Reiche und Arme sowieso.
Wir Menschen sind  todgeweiht, können aber die  Tatsache der eigenen Sterblichkeit nicht begreifen. Manchmal lese ich bei einem Menschen der im hohen Alter starb, dass der Verstorbene völlig überraschend aus dem Leben gerissen wurde. Warum überraschend?  Ist der Tod nicht das Sicherste in unserem Leben - vor allem dann, wenn einer alt wird?  In 100 Jahren sind wir alle tot...

Keiner will sterben - auch die Glaubenden nicht!
Obwohl niemand von uns sterben will Auch die meisten Gläubigen nicht! Ich habe diese Woche mit einer Klosterschwester  telefoniert, die ich  aus meinen jüngeren Jahren  kenne. Sie hat uns im Priesterseminar  mit ihrem Kürbiskompott gequellt. Sie sagte mir, dass  der hässliche Krebs  ihr eine Brust bereits gefressen hat. Dann erzählte sie mir von einem Besuch, den sie  im Krankenzimmer bekam. Sie hatte keine Lust auf ein Gespräch, musste zuerst mit ihrem Schicksal fertig werden. Der Besuch hat es  gemerkt. Als sie allein geblieben ist, sah sie  eine kleine Karte auf dem  Nachttisch. Auf der Karte stand: "Ich hoffe auf Gott, der meine Sache zum guten Ende führt". „Das hat mich nachdenklich gemacht“, sagte sie und machte eine kurze Pause. "Ich fragte mich" - fuhr sie  fort - "was  hier mit dem guten Ende eigentlich gemeint ist?" Was ist das gute Ende? Gesund werden und leben? Oder sterben und zu Gott zu gehen?  Diese Art der Beichte war kein frommes Theater: „Es begann für  mich eine Zeit großer inneren Spannung"  sagte sie nachdenklich. „Natürlich wollte ich unbedingt wieder gesund werden. Das Leben ist mir sehr lieb und ich wollte es für Gott einsetzen ...  glaubst du dass es eine Sünde war?“ – fragte sie zum Schluss

Eine Sünde war das sicherlich nicht! Ist es aber nicht seltsam? Der Tod - so die christliche Überzeugung – soll Menschen, die  ihr Leben Gott anvertraut haben,  doch zum Ziel bringen oder? Insofern leistet er einen guten Dienst! Eigentlich wurden wir nicht für das Leben hier sondern für die Ewigkeit erschaffen und sind deshalb als Fremdlinge auf der Durchreise, mit einer Art von Gaststatus auf Erden (Psalm 119,19). Aus diesem Grund mahnt uns der Glaube, dass wir so leben sollten als hätten wir nichts. Was uns heute gehört kann schon Morgen aus unserer Hand gefordert werden. Damit wir in ein neues Leben übergehen in dem wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden. Dieses künftige Leben soll doch so wunderbar sein! Die Bibel sagt sogar, dass es so anders sein wird, dass sie auf die nähere Beschreibung verzichtet, weil es ganz wenig mit unserer Realität zu tun haben wird. Meine Klosterschwester hat sich auf diesen Himmel nicht unbedingt gefreut.

Wie sollen wir mit dem Tod umgehen?  Wir Menschen - ob christlich oder anders geprägt - die nicht zu sterben verstehen?  Wozu soll der Gedanke überhaupt gut sein? Ist es gar notwendig von der "Kunst des Sterbens" zu sprechen und  stattdessen nicht eher  von der "Kunst des Lebens"? Wie wir glücklich leben und Schwierigkeiten meistern können? Wie wir Gemeinde bauen und wie wir Menschen für Gott gewinnen?

Die eigene Sterblichkeit verinnerlichen
"Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden". Diese Bitte steht in der Bibel. Dass sie eine weise und deshalb  für jeden Menschen anstrebenswert  ist - auch wenn er über keinen religiösen  Hintergrund  verfügt - ist längst die Erkenntnis der modernen Sterbeforschung. Ihre prominente Vertreterin Elisabeth-Kübler-Ross meinte sogar, dass  das Reifen der Seele in der zweiten Hälfte des Lebens ein "Reif werden zum Tode" sein sollte. Nur wer die "Kunst des Sterbens" beherrscht, wird die "Kunst des Lebens" beherrschen  oder anders herum:" niemand wird lernen zu leben, der nicht gelernt hat zu sterben.“ 

Ich möchte Sie bitten, Ihren Herzschlag zu ertasten. Sie können dazu, wenn Sie wollen,  ihre Augen  schließen und  eventuell die Hand auf die Brust legen. Ich weiß nicht wie schnell oder langsam Ihr Herz schlägt - es brachte Sie aber in dieser kurzen Zeit Ihrem Tod ein kleines Stückchen näher. Wenn es nicht nur bei dieser kleinen Übung bleibt, sondern wir es tatsächlich verinnerlichen, dass dieses Herz eines Tages zum Schlagen aufhört, werden wir weise und klug mit dem Leben umgehen.  Schlägt es für manche Dinge nicht zu schnell ?  Oder vielleicht sogar umsonst? Wozu ist denn das alles gut, was ich da mache? Was ist das Ziel und der Sinn meines Lebens? Wenn wir unseren Herzschlag verinnerlichen, werden wir bescheidener und dankbarer. Wir werden wichtige  Lebensentscheidungen im Bewusstsein treffen, dass wir eines Tages sterben werden und uns überlegen wie sinnvoll sie sind und ob der Preis, den wir dafür zahlen, gerecht ist.
Für einen Gläubigen entscheidet sich die Kunst des Sterbens an seinem Vertrauen zu Gott. Die große Kunst des Sterbens und des Lebens ist das Vertrauen zu haben, dass  Gott uns durch das Leben trägt und wir in seiner Hand auch in der Stunde des Todes bleiben.  Martin Luther, der sich um die Rückgewinnung der Kunst des Sterbens bemühte hat es in einem kleinen Schriftstück über die Bereitung zum Sterben besonders eindrucksvoll formuliert. Er schrieb,  dass wir nicht nur  im Leben vom Tod, sondern auch im Tod vom Leben umfangen sind".  Das war ihm  "viva vox Evangeli", die lebendige Stimme des Evangeliums; die Frohe Botschaft "par excellence".  

Sich auf den nächsten Geburtstag freuen
Es ist bekannt, dass viele Menschen ihre Geburtstage nicht ausstehen können, weil sie das Älterwerden hassen, wie sie sagen. Und wie ist das bei Ihnen? Wie geht es Ihnen an Ihrem Geburtstag? Erst wenn Sie diesen besonderen Tag in Freude und Dankbarkeit erleben, werden Sie sagen können, dass Sie ein "Einverständnis mit dem eigenen Tod" erreicht haben. Und Sie werden sich auf den Rest Ihres Lebens aufrichtig freuen!

 

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