image1 image2 image3 image4 image5

"Für uns gestorben"

für uns gestorben - internetgottesdienst aus judenburg

Pfarrer Tadeusz Prokop spricht im Gottesdienst am Karfreitag über das Thema „Jesus Christus – für uns gestorben“

"Für mich gestorben"… Diese beiden Worte gehören zum Grundbestand des christlichen Glaubens: der Gedanke nämlich, dass Gott einen Menschen namens Jesus  töten muss, um sich mit der Welt zu versöhnen und dass dieser Jesus für uns gestorben ist damit wir Frieden mit Gott haben. Das klingt doch ziemlich unverständlich. Kein Wunder, dass viele Menschen - darunter nicht wenige Christen - mit diesem Kernsatz des christlichen Glaubens kaum mehr etwas anzufangen wissen.

Dass Jesus von Nazareth so  sterben musste - nämlich am Kreuz - liegt auf der Hand. Das Kreuz war die Konsequenz seines ganzen Wirkens! Für die offizielle Religion war Jesus  ein Ketzer, ein Pseudoprophet, Gotteslästerer und Volksverführer. Und als solcher hat er diesen Tod, der für das schlimmste Verbrechen vorbehalten war, verdient.  In der Stunde des Todes war er von Menschen und scheinbar auch von Gott verlassen. Gott ist am Kreuz nicht gestorben, sondern Jesus von Nazareth und dieser Gott schien ihn verlassen zu haben. Die ersten Christen hatten alle Mühe, Jesu Schandtod als etwas Gutes, Positives, als etwas was für uns geschah, zu deuten. Diese Zurückhaltung der ersten Christen hat bis ins 5. Jahrhundert gedauert. Die ältesten Darstellungen des Gekreuzigten stammen nämlich erst aus diesem Jahrhundert. Bis dahin stellte man Jesus als den bartlosen jugendlichen "guten Hirten" dar oder in der Gestalt des Siegenden oder Betenden aber nie des Leidenden.

Das Leiden und Sterben Jesu Christi besitzt dennoch einen zentralen Stellenwert für den christlichen Glauben. So gilt der Karfreitag, der zum Gedenken an die Kreuzigung anregen will, in der Evangelischen Kirche noch immer als der "höchste Feiertag" des Kirchenjahres. Dass also der Passion, d.h. dem Leiden Jesu Christi, eine besondere Bedeutung zukommt, darüber herrscht Einigkeit. Ist das biblisch begründet?

Gar keine Frage, dass in allen vier Evangelien  die Leidensgeschichte den Höhepunkt bildet. Die Evangelisten erkannten die außerordentliche Bedeutung des Menschen, der dieses Leid und diesen Tod erlitten hatte.  Die ersten Christen versammelten sich aber nicht nur um  Jesu Tod zu gedenken. Sie haben  diesen Tod im Hinblick auf die Auferstehung bezogen um damit  das Wort Gottes, das Alte Testament, die Bibel der frühchristlichen Kirche, zu begreifen. Die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu "für uns", "für die vielen", "für alle"  lag in dieser Hoffnung, im Glauben an seine Auferstehung.  Indem sie von Jesu Tod berichteten und von der Auferstehung, hofften die frühen Christen, Jesus und damit auch ihr eigenes Leid und ihren Tod besser zu verstehen.

"Für uns" oder mit dem lateinischen Wort "pro nobis" ausgedrückt, bedeutet zweierlei - so hört man diese Phrase in den meisten Karfreitagspredigten. Erstens: Jesus ist gestorben für die Schuld der Welt. Andere Karfreitagspredigten gehen theologisch in eine etwas andere Richtung: Christi Leiden stellt ein Opfer dar, ohne welches kein Mensch die Gottesgemeinschaft, die durch die Sünde verunreinigt wurde, erlangen kann.

Ich muss gestehen, dass ich noch vor etwa 20, vielleicht noch vor 10 Jahren ähnlich gepredigt habe. Das würde ich heute nicht mehr tun. Um das zu erklären muss ich Ihnen an dieser Stelle etwas kompliziertere Theologie  zumuten. Ich versuche es einfach zu machen.

Die erste Theorie geht vom Folgenden aus: durch die Sünde hat der Mensch, konkret waren es nach diesem Verständnis Adam und Eva, Gottes gerechte und vernünftige Weltordnung gestört. Dadurch ist Gott in seiner Ehre unendlich beleidigt worden. Deshalb die Notwendigkeit, die Ehre Gottes wiederherzustellen, zu restituieren, da die Ur-Sünde des ersten Menschenpaares in Form der Erbsünde durch die Zeugung auf uns alle übertragen wurde. Diese Erlösungslehre ist deshalb fragwürdig, weil der Traum vom Paradies im natur-wissenschaftlichen Sinne, der Traum vom goldenen Zeitalter zu Beginn der Menschheitsgeschichte leider nur ein Traum ist. Die ersten Seiten der Bibel können und wollen nicht ergründen wie die Sünde auf die Welt kam. Sie wollen erklären was die Sünde ist, nämlich ein Leben ohne Gott.

Die Erlösungslehre als Opfer mutet heidnische Missverständnisse zu: Gottes Zorn kann nur durch ein Opfer, in der Regel waren es Blutopfer, besänftigt werden.  Unschuldiger als Sündenbock, Prügelknabe und Ersatzmann muss für die eigentlichen Sünder dienen. Gar keine Frage, dass es im Neuen Testament  beide Deutungen gibt. Eine einheitliche Kreuzesdeutung gibt es aber nicht, ganz im Gegenteil: die biblischen Schriften lassen viel Freiheit für die Interpretation des Kreuzes zu. Die älteste Interpretation, die wir im zweiten Kapitel des Philipperbreifes finden, in einem Christus-Hymnus, der wohl aus den 40er Jahren stammt, deutet Jesu Tod als Gehorsam Gott gegenüber. Jesus ist seinem Auftrag und Gott treu geblieben und hat dadurch ermöglicht, dass Gott seinen Plan durchführen konnte.

Nun abschließend: Was ist für dich dieses "pro nobis", kannst du bekennen, dass Jesus auch für dich gestorben ist?

Zuerst gilt folgendes: Das Kreuz Jesu Christi entfaltet seine Wirkung erst dann, wenn ein Mensch es als Ereignis begreift, das existenziell etwas mit ihm selbst zu tun hat. Ich teile an diesem Punkt den Glauben der ersten Christen. Dem Leiden kann ich keinen Sinn abgewinnen - auch nicht in Richtung "Erlösung". Es ist sinnlos und wie der Tod der größte Feind der Menschheit und Gottes. Das Leiden soll nicht umgedeutet oder verherrlicht werden. Es soll auch nicht stoisch oder heldenhaft ertragen werden. Es soll auch nicht gesucht werden. Es soll vielmehr mit allen Mitteln bekämpft werden. Jetzt ist aber der Punkt: Kein Mensch kann vom Leid verschont werden! Als Glaubender weiß ich aber einen Weg durch das Leiden hindurch! Der Blick auf den Gekreuzigten zeigt mir, dass ich in meinem Leiden nicht verloren bin. Gott ist auf meiner Seite mit seiner Kraft, wenn ich durch das Leiden gehe. Ich habe es nicht mit einem grausamen Willkür- oder Gesetzesgott zu tun, sondern mit einem, der auf der Seite der Leidenden ist, der Schwachen, der Kranken, Unterdrückten...In diesem Sinne ist Jesus für mich gestorben und nur in diesem Sinne ist für mich die Kreuzesnachfolge möglich.

 

 

 

Blue Flower

© 2024  @ Evangelische Pfarrgemeinde Judenburg